Romantik

ROMANTIK

Romantik bezeichnet eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst (1790–1840), der Literatur (1795–1848) und der Musik (Kernphase 1820–1850, siehe auch Musik der Romantik) äußerte.

Im heutigen, allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff Romantik mit dem Adjektiv romantisch die Eigenschaft einer Sache oder eines Ereignisses, Menschen mit Liebe und Sehnsucht zu erfüllen, so etwa in den Wortverbindungen „romantische Liebe“, „romantische Musik“ oder „ein romantischer Brief“. In der Philosophie wird Romantik als Rebellion gegen die Vergänglichkeit bezeichnet.

ETYMOLOGIE
Der Begriff kommt etymologisch ursprünglich von „in lingua romana“, in romanischer Sprache, also von Schriften, die in der Volkssprache der romanischen Länder verfasst waren. Diese bildeten einen Gegensatz zu den zuvor üblichen, „in lingua latina“ (Latein) geschriebenen Texten. Aus „lingua romana“ entstand dann der Ausdruck „Roman“, der aus dem Französischen stammt und für den Begriff romantisch prägend wurde.

Romantik bedeutet in diesem Sinne Abwendung von der Antike und von klassischen Vorbildern. Das heißt, die mit dem Terminus Romantiker bezeichneten Autoren erschließen sich Themen aus ihrer eigenen Kultur und Geschichte und wenden sich ab von klassischen Formen, was aus der nachträglichen und historischen Perspektive die Vorliebe für eine fragmentarische Schreibweise in der Romantik erklärt. Die Hinwendung zur eigenen Kultur bedeutete zugleich eine stärkere Hinwendung zur Sagen- und Mythenwelt des Mittelalters.

Die Vertreter der an der Antike orientierten Klassik fühlten sich durch die Zeitschriften der Romantiker z. T. massiv angegriffen und bezeichneten dann das Romantische als phantastisch oder auch als krankhaft – letzteres allerdings vor allem im Hinblick auf die französische Romantik.

Generell sind „Klassik“ und „Romantik“ als nachträgliche Zuordnungen zu verstehen; die Vertreter dieser Epochen haben entsprechende Bezeichnungen selber nicht benutzt.

​HINTERGRUND
Die Grundthemen der Romantik sind Gefühl, Leidenschaft, Individualität und individuelles Erleben sowie Seele, vor allem die gequälte Seele. Romantik entstand als Reaktion auf das Monopol der vernunftgerichteten Philosophie der Aufklärung und auf die Strenge des durch die Antike inspirierten Klassizismus. Im Vordergrund stehen Empfindungen wie Sehnsucht, Mysterium und Geheimnis. Dem in die Zukunft gerichteten Rationalismus und Optimismus der Aufklärung werden eine Rückgriff auf das Individuelle und Numinose gegenüber gestellt. Diese Charakteristika sind bezeichnend für die romantische Kunst und für die entsprechende Lebenseinstellung.

Der Romantiker verortet einen Bruch, der die Welt gespalten habe in die Welt der Vernunft, der „Zahlen und Figuren“ (Novalis), und die Welt des Gefühls und des Wunderbaren. Treibende Kraft der deutschen Romantik ist eine ins Unendliche gerichtete Sehnsucht nach Heilung der Welt, nach der Zusammenführung von Gegensätzen zu einem harmonischen Ganzen. Symbolische Orte und Manifestationen dieser Sehnsucht sind nebelverhangene Waldtäler, mittelalterliche Kloster-Ruinen, alte Mythen und Märchen, die Natur etc. Zentrales Symbol für diese Sehnsucht und deren Ziel ist die Blaue Blume, die wie kein anderes Motiv die romantische Suche nach innerer Einheit, Heilung und Unendlichkeit verkörpert.

    „Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.“

    – Ricarda Huch


Im Gegensatz zur selbst gesetzten Aufgabe der Dichter der Weimarer Klassik sowie von Sturm und Drang und Aufklärung, nämlich der Erziehung des Volkes durch Literatur, sahen die Dichter der Romantik ihre Aufgabe in der Heilung des Risses, der durch die Welt und damit durch die Individuen geht. Eine Möglichkeit dazu bot ihnen zufolge die Kunst, mystisch überhöht im Begriff des „Dichterpriesters“, denn „die Welt hebt an zu singen / Triffst Du nur das Zauberwort“ (Eichendorff).

Die Romantiker suchten die verloren gegangene Welt in Werken aus der „Kindheit der Menschen“, also in Märchen und Sagen, in Volksliedern und im Mystizismus des Mittelalters und seiner als ideal verklärten ständischen, auf Treue gegründeten Ordnung. Auch in exotischen Ländern wurden Anstöße gesucht. Das „Wahre“ wurde nicht im Intellektuellen gesehen, sondern in dem als natürlich und wahrhaftig angesehenen Verhalten des einfachen Volkes. In die Musik der Romantik flossen unter anderem auch Volkstänze ein, etwa bei Franz Schubert. Die Brüder Grimm sammelten die Sagen und Märchen der mündlichen Volksüberlieferung. Allerdings wurden auch Gefahren in dieser „anderen Welt“ gesehen. Die Nachtseite der Romantik, geprägt von Teufelspakten, Wahnsinn, Gespenstern, Schuld und Tod, findet sich besonders ausgeprägt bei E. T. A. Hoffmann.

Zur massenhaften Ausbreitung der Romantik kam es zu Zeiten der Napoleonischen Kriege Ende des 18. Jahrhunderts, nach einer Ära relativer Ruhe, in der viele Konflikte auf diplomatischem Wege geregelt worden waren. Als plötzlich der europäische Kontinent mit Feldzügen Napoleons überzogen wurde und Helden gesucht waren – wie etwa Napoleon in Frankreich, Admiral Nelson in England und General Kutusow in Russland –, entfachten romantische Wünsche die Phantasie. Ein zweiter wichtiger Faktor war die gestiegene Bildung der Bürger, die den Boden für Kunst und Literatur bereitete. Wirtschaftlicher Aufschwung und der damit verbundene höhere Wohlstand ermöglichten es den Bürgern, mehr Bücher, Musikinstrumente oder Theater- und Konzertkarten zu kaufen.

Als Reaktion auf diese Entwicklung und Emanzipation verschloss sich die Aristokratie gegenüber den neuen gesellschaftlichen Tendenzen und Formen. So findet man im 19. Jahrhundert kaum noch Adelige unter den Schriftstellern und Philosophen, einer Domäne der Aristokraten im 18. Jahrhundert.

Im politischen und kulturgeschichtlichen Sinn wird Romantik teilweise bis heute als Gegenströmung zur Aufklärung und zum Rationalismus begriffen und steht damit auch für einen aktuellen Konflikt.

HISTORISCHE URSPRÜNGE
Durch die Industrialisierung fanden große gesellschaftliche Umbrüche statt, die neue Maschinenwelt führte zu Verstädterung und Landflucht, ein unterstelltes vormaliges Idyll war für die Romantiker in Auflösung begriffen. Nach dem Scheitern der Revolution in den Jahren 1848 und 1849 blieben in Deutschland das konstitutionelle System, die Ständegesellschaft sowie die institutionelle Macht der Kirche bestehen. Der erforderliche Wandel konnte nicht unmittelbar in oder mit der Gesellschaft stattfinden. Dies war für die Romantiker, auch auf dem Hintergrund ihrer eher individualistischen Grundeinstellung, ein Anlass, um in Melancholie und in phantastische, unwirkliche und idyllische Welten zu fliehen sowie sich durch Flucht aus der Wirklichkeit aus dem gesellschaftlichen Leben weitgehend zurückzuziehen.

Die Romantik kann zudem auf zwei seinerzeit populäre literarische Richtungen zurückgeführt werden. Es handelt sich einerseits um den englischen gotischen Roman in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – die Engländer lasen seinerzeit leidenschaftlich gerne Schauerromane. Andererseits handelt es sich um die deutsche Sturm-und-Drang-Bewegung, die Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine ganze Reihe von Literaten und Lesern beeinflusste. Während der gotische Roman eher oberflächlich geschrieben war, waren die Werke der Sturm-und-Drang-Bewegung, vertreten u. a. durch Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller, auf einem hohen literarischen Niveau. Die gotischen Romane regten die Phantasie an (Motive waren oft Gespenster, Ritter, verwunschene und halbzerfallene Burgen), während der Sturm und Drang die Gefühle der Leser ansprach. So diente der Held Goethes in Die Leiden des jungen Werthers vielen Jugendlichen am Ende des 18. Jahrhunderts als Vorbild, sich entsprechend zu kleiden oder gar wie Werther Selbstmord zu verüben.


STILMITTEL UND KENNZEICHEN
PSYCHE

Das Unbewusste der menschlichen Psyche wird in der Literatur ausgelebt und kommt zum Vorschein.

OFFENE FORMEN
Weder Form noch Inhalt sind festgelegt. So werden Lieder, Erzählungen, Märchen und Gedichte ineinander vermischt. Poesie, Wissenschaft und Philosophie werden miteinander verbunden.

PROGRESSIVE UNIVERSALPOESIE
Friedrich Schlegel prägte als Literaturtheoretiker und -kritiker in der Romantik den Begriff der „progressiven Universalpoesie“ (Athenäumsfragment 116). In der Literatur sollten nun nicht mehr wie in der Klassik bestimmte Schemata für die Erschaffung eines literarischen Werkes vorgegeben sein, sondern man betrachtete den Künstler als frei schaffendes Genie. Die Regelpoetik und die Forderungen der drei aristotelischen Einheiten von Raum, Zeit und Handlung verloren an Bedeutung, vielmehr wurde der Roman zum subjektiven Spielfeld des Autors. Ziel war es – nach Schlegel – Philosophie, Prosa, Poesie, Genialität und Kritik miteinander verbindend darzustellen. Aus diesen neuen Konstellationen ergab sich ein fragmentarischer Charakter mit unfertigen Handlungssträngen. Schlegel wollte damit den Werdensprozess der Dichtung betonen und meinte, dass der unvollendete Zustand einer Dichtung der Willkür und Freiheit des Dichters folge.

ROMANTISCHE IRONIE
Der Autor steht über seinem Werk. Er kann herbeigeführte Stimmungen, Bilder oder Geschichten abrupt zerstören und übermenschlich verändern.

Ein Spezialfall romantischer Ironie sind Selbstreferenzen auf das Werk. Wenn z. B. in Theaterstücken der Held in eine ausweglose Situation gerät, aber sich sicher ist zu überleben mit der Begründung „Man stirbt doch nicht mitten im dritten Akt“, ist dies ein Fall von romantischer Ironie.

Gegenstand der romantischen Sehnsucht ist das Absolute, ein Zustand aufgehobener Entfremdung, den Rousseau zuvor als „Naturzustand“ (état naturel) beschrieben hatte und dem ein unreflektiertes ‚naives‘ Weltverständnis und Weltverhältnis entspricht. Dieser Zustand aber ist dem modernen Menschen unerreichbar geworden und kann auch durch die Kunst, die auf Reflexion beruht, nicht adäquat dargestellt werden. Jeder Versuch ihn darzustellen, greift notwendigerweise zu kurz. Das romantische Kunstwerk, das seine eigene Kritik enthalten soll, kann dieser Einsicht nur gerecht werden, indem es sich selbst ironisch hintertreibt und seine eigene Falschheit (Scheinhaftigkeit) zur Schau stellt. D. h. sein zentraler Darstellungsgegenstand ist eine Sehnsucht, deren Ziel unbekannt ist, und jeder Versuch, dieses Ziel anschaulich zu machen, ist zum Scheitern verurteilt. Dieses Paradoxon muss die Kunst, will sie ihrer Aufgabe gerecht werden, aushalten.

TRADITION UND MITTELALTER
In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen sogenannter Volkspoesie. Bekannteste Beispiele sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen. Diese Tatsache rückt die gesammelten Texte näher an die Kunstmärchen und Lyrik ihrer Zeitgenossen als eigentlich beabsichtigt.

Das Mittelalter gilt als Ideal und wird verherrlicht. Kunst und Architektur dieser Epoche wird geschätzt, gepflegt und gesammelt. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben unbeachtet.

ABSCHNITTE DER ROMANTIK
Man unterscheidet zwischen Frühromantik (ca. 1795–1804), Hochromantik (ca. 1804–1815) und Spätromantik (ca. 1815–1848). In der Hochromantik unterscheidet man zwischen dem Heidelberger Kreis und dem Berliner Kreis.

Allerdings verliefen diese Phasen nicht in allen Kultursparten synchron; die Spätromantik in der Malerei reicht bis Ende des 19. Jahrhunderts, in der Musik zieht sie sich sogar bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts hin (Gustav Mahler, Richard Strauss).

Beeinflusst durch die Romantik ist die Jugendbewegung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand. In neuerer Zeit finden sich einzelne Charakteristika auch in der Dark-Wave- oder Gothic-Subkultur sowie im Black- und Dark Metal (beispielsweise in den Texten der Bands Dornenreich und Nocte Obducta).


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